Seit meinem letzten Blogbeitrag sind fast sechs Monate vergangen. Was ist passiert, dass ich mich so lange nicht zu Wort gemeldet habe? Kurz vor Weihnachten, als ich gerade angefangen hatte, einen Text zum persönlichen Rückblick auf 2020 zu verfassen, ereilte mich eine Nachricht, die zwar aufgrund des hohen Alters vorherzusehen war, dann aber doch unerwartet plötzlich kam. Ich musste von meinem lieben Vater Abschied nehmen und ihn loslassen. Das hat eine Weile gedauert und mich nun inspiriert, über zeitliche Begrenztheit, in Würde Abschied nehmen und bewusstes Loslassen ein paar Gedanken mit euch zu teilen.
Alles hat seine Zeit
Schon in der Bibel steht „Ein jegliches hat seine Zeit, und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde. Geboren werden hat seine Zeit, pflanzen hat seine Zeit, ausreißen, was gepflanzt ist, hat seine Zeit….“ Umso entscheidender erscheint es mir, zeitliche Lebensabschnitte mit dem zu füllen, was einem bedeutsam ist. Und das, was du als wichtig erachtest, verändert sich im Laufe eines Lebens durchaus. Passend findet sich in meinem „Walk in Beauty“-Kalender in dieser Woche dieses Zitat:
Im Inneren deines Sinns ist die Antwort. Du weißt, wer du bist und du weißt, was du willst.
Laotse
Zum Jahresbeginn, nach dem Tod meines Vaters habe ich mein Leben und meine Aktivitäten auf den Prüfstand gestellt. Was läuft gut und soll so bleiben, wie es ist? Was passt noch in mein jetziges Leben? Was nicht mehr? Was will ich verändern? Ich kam zu dem Schluss, dass meine Beziehungen, meine Arbeit, mein Studium, meine Gesundheit und fast alle meiner Freizeitaktivitäten sich richtig und gut anfühlen. Doch gerade bei meinen ehrenamtlichen Aktivitäten stellte ich fest, dass sich eine seit einiger Zeit schon nicht mehr als stimmig erweist. Meine 10-jährige Mitgliedschaft in einem Frauenclub passt einfach nicht mehr in mein jetziges Wirken und zu meiner Mission „Ich trage täglich dazu bei, dass Menschen über sich hinauswachsen – auch ich selbst!“
- Was ist es bei dir, was mal gut und richtig war, aber jetzt vielleicht nicht mehr in dein Leben passt?
- Was willst du trotzdem bewusst beibehalten?
- Von was willst du dich verabschieden?
Abschied nehmen
Als ich nach langem Abwägen und einigen Herzbefragungen den Entschluss gefasst hatte, meine Mitgliedschaft im Frauenclub zu kündigen, war es dann trotzdem nicht leicht, mich zu verabschieden. Um nicht mit einem komischen Gefühl dem Vertrauten den Rücken zuzukehren, habe ich zwei Dinge getan. Erstens habe ich mich nach meinen damaligen Motiven für den Beitritt gefragt und zweitens die zehnjährige Zugehörigkeit gewertschätzt. Ich war damals in einer anderen beruflichen Situation, die das Netzwerken mit Frauen erforderte. Ich bin großartigen Frauen begegnet, von denen ich viel gelernt habe. Ich durfte eine verantwortungsvolle Führungsposition bekleiden und ich habe von dem Netzwerk auch beruflich profitiert. Heute stimmen meine persönliche und berufliche Entwicklung nur noch punktuell mit den Interessen des Clubs überein. Meine Zeit und meine Energie möchte ich lieber in Tätigkeiten stecken, die besser zu meinem heutigen Leben passen.
Deswegen hieß es für mich würdevoll und beherzt Abschied nehmen, auch wenn es schwerfällt. Ich habe mich vor den Mitgliedern offen zu meinem Entschluss bekannt. Das brauchte viel Mut und war nicht leicht. Doch es war mir wichtig, mich zu verabschieden, denn nur so konnte ich auch persönlich daran wachsen. Zudem schneide ich den Frauenclub-Faden damit nicht durch, sondern packe ihn in mein Museum der Erinnerungen. So kann ich jederzeit bei meinem Rundgang durchs Museum mit Freude darauf zurückblicken.
- Mal angenommen, du hättest dich entschieden, dich von etwas/von jemand zu trennen, weil es/er/sie nicht mehr in dein Leben passt. Wie würdest du dich würdevoll verabschieden?
- Was brauchst du, damit du den Mut zum Abschied nehmen aufbringst?
- Was wäre danach für dich möglich?
Loslassen
Nachdem ich Abschied vom Frauenclub genommen hatte und von meinem Vater – von ihm zumindest so lange wie ich lebe – konnte ich beide nicht sofort loslassen. Immerhin verbanden uns viele Jahre und Ereignisse miteinander, von denen ich mich emotional und kognitiv nicht so einfach distanzieren kann. Statt mich mit dem Loslassen unter Druck zu setzen, habe ich den Schmerz und die Traurigkeit, die damit verbunden war, einfach sein und ausklingen lassen. Und das im wahrsten Sinne des Wortes. Alle inneren Stimmen, die sich dazu meldeten, wurden nach und nach stiller und weniger.
Geholfen hat mir auch, die Erinnerung wach zu halten ohne den Gedanken „was wäre mit dem, wovon ich Abschied genommen habe, noch möglich“ (z.B. Es wäre so schön gewesen, wenn mein Vater noch den Abschluss meines Studiums mitbekommen hätte. Was macht der Frauenclub an der Stelle xy wohl ohne mich.) zu pflegen. Ich erfreue mich an dem, was war und schaue offenen Herzens auf das, was das Leben noch für mich bereithält.
- Was heißt für dich loslassen?
- Woran hängst du noch, obwohl du dich schon längst verabschiedet hast?
- Was will in deinem Leben geboren werden? Wofür brauchst du Raum, Zeit und Energie?
Fazit
„Alles hat seine Zeit“, „Abschied nehmen“ und „Loslassen“ sind Haltungen, die viel Liebe und Selbstliebe ausdrücken. Liebe ist, das Leben bedingungslos anzunehmen. Selbstliebe heißt, achtsam die eigenen Bedürfnissen zu erkennen und damit umzugehen.
Das klingt immer so einfach. Ich hatte bisher eine halbe Stelle im Ausbildungsbereich sozialassistent und Erzieher. Mittlerweile bin ich nur noch genervt, weil wir nur unterrichten und keine Praxis mehr haben. Jetzt arbeite ich etwas mehr und ich merke wie schon vorher ich möchte es so nicht. Ich kann mich nicht konzentrieren, mir fällt nichts ein und ich entwickle zunehmend Aggressionen. Bisher hatten wir nich Kinder zuhause. Ich möchte mich lieber um Menschen kümmern. Fortbildungstechnisch habe ich bisher nichts unternommen. Ich weiss einfach nicht wo es hingehen soll und wie. Ich weiss nur, dass ich si sehr unzufrieden bin. Tendenziell möchte ich regelmässiger arbeiten und im Team.
Naja, dass es einfach war, habe ich nicht in meinem Blogbeitrag behauptet. Mir erscheint es wichtiger, sich mit Körper, Geist und Seele für einen Weg zu entscheiden und diesen dann auch konsquent zu verfolgen. So lange ich hadere und meine Entscheidungen immer wieder in Frage stelle, bewege ich mich im Kreis und werde immer unzufriedener. Wenn ich jedoch mutig einen Weg verfolge, werde ich am Ende immer mit einer neuen Erfahrung und neuer Energie belohnt. Und selbst wenn sich dieser Weg als Fehlentscheidung entpuppen sollte, habe ich zumindest gelernt, die Steuerung über mein Leben wieder in die Hand zu nehmen und kann eine neue Entscheidung treffen.
Gerne stehe ich zur Sortierarbeit und zum Muttanken als Coach zur Verfügung,
Christiane Karsch