Jedes Jahr um diese Zeit, im beginnenden Frühling, bin ich beeindruckt von den zarten Knospen, die aus scheinbar abgestorbenem Geäst sprießen und erfreue mich daran. Im diesjährigen Frühlingserwachen habe ich mir das erste Mal die Frage gestellt, wie wir die in der Natur an vielen Stellen zu beobachtende Metamorphose als Metapher für einen beruflichen Wandel nutzen können. Wie können wir im übertragenen Sinn aus einem kargen Ast zum blühenden Strauch, einer Raupe zum Schmetterling oder von der Kaulquappe über den Frosch zum Prinz bzw. zur Prinzessin werden?
Metamorphose
Den Begriff der Metamorphose (griechisch: Umgestaltung) gibt es in verschiedenen Disziplinen. Hier einige Beispiele, die ich der Quelle Wikipedia entnommen habe:
- In der Botanik steht er für die evolutionäre Anpassung einer Pflanze an ihre jeweiligen Umweltbedingungen.
- In der Zoologie versteht man darunter die Umwandlung der Larvenform zum Adultstadium, dem geschlechtsreifen, erwachsenen Tier.
- In der Geologie ist damit die Umwandlung der mineralogischen Zusammensetzung eines Gesteins durch geänderte Temperatur- und/oder Druckbedingungen gemeint.
- Und in der Mythologie ist es der Gestaltenwechsel oder die Verwandlung einer Gottheit, eines mythischen Wesens oder eines Menschen, seltener von Tieren oder Objekten.
Metapher für Wandel
Die wohl bekannteste Metapher für Umwandlung und Entfaltung ist die der Raupe, die sich in einen Schmetterling verwandelt.
Wenn Sie Schmetterlinge lieben, sollten Sie nicht auf Raupen treten!“
(Elisabet Sahtouris, Biologin, http://www.sahtouris.com/#5_3,0,,1)
Die Biologin Elisabet Sahtouris hat die Metamorphose der Raupe so beschrieben, das sich daraus Analogien für den beruflichen Wandel ableiten lassen:
„Die Raupe ist ein gieriger, destruktiver Konsument von grünen Blättern, denn sie frisst ein mehrfaches ihres Gewichtes. Sie frisst sich ein übermässiges Polster an und hängt sich anschliessend zum Schlafen auf, so dass sich ihre Haut langsam in eine gehärtete Puppe (Kokon) verwandeln kann. Sie begibt sich in eine Phase der Metamorphose, um ihr bisherges Leben aufzugeben und dann als Schmetterling wiedergeboren zu werden.
Abgeschieden von der Umwelt, beginnt ihre innere Struktur zu zerfallen. Die Organe der Puppe lösen sich auf, existieren nicht mehr in der bisher bekannten Form. Aus der Perspektive der Raupe ist dies eine Katastrophe, droht hier doch ihr Untergang: Die klare Einteilung von Zuständigkeiten, die Arbeitsteilung etwa zwischen Bewegungsmuskulatur, Kreislauforganen und Verdauungssystem, all das gibt es dann nicht mehr. Die Krise wird lebensbedrohend. Und in dieser Krise hinein bilden sich nun – geleitet vom tiefen inneren Wissen – sogenannte Knospenzellen, um die herum die neue Ordnung entsteht. Immer neue Zellen lagern sich an die Knospe an, verbinden sich zu neuen Strukturen, aus denen wieder ganz neue Organe erstehen.
Das Alte führt eine Zeitlang noch eine Parallel-Existenz neben dem Neuen. Und dies ist für die spätere Existenz des Schmetterlings unabdingbar: Es ist die Aufgabe der Raupe, das Leben zu bewahren, indem ihr eigener Körper die Nahrung für die neuen Zellen bildet. Betrachten wir jetzt das Immunsystem der Raupe – die Gesundheitspolizei im alten System -, dann stellen wir fest, dass es mit allen Kräften bemüht ist, die neuen Knospenzellen zu zerstören. Das Immunsystem sieht sie als Gefahr für die alte Ordnung. Eine Ordnung, die ohnehin in Auflösung begriffen ist.
Aber die Zellen, die die Entstehung des Schmetterlings bewirken, setzen sich durch. Die kleinen und bis dahin ziemlich einsamen Imago-Zellen beginnen sich in kleinen Gruppen zu verklumpen. Dabei schwingen sie auf einer ähnlichen Ebene und beginnen, von Zelle zu Zelle Informationen miteinander auszutauschen. Die Klumpen von Imago-Zellen beginnen Gruppen zu bilden!
Dann scheint dieser lange Faden von Imago-Zellen an einem bestimmten Punkt plötzlich zu begreifen, dass er „etwas ist“: Etwas anderes als die Raupe, etwas Neues! Und mit der Erkenntnis einer eigenen Identität verwandelt er den alten Raupenkörper von innen. Diese innere tiefe Erkenntnis ist die eigentliche Geburt des Schmetterlings, denn damit kann jetzt jede Schmetterlingszelle ihre eigene Aufgabe übernehmen: Für jede der neuen Zellen ist etwas zu tun, alle sind wichtig. Jede Zelle beginnt das zu tun, wo es sie am meisten hinzieht. Und alle anderen Zellen unterstützen sie darin, genau das zu tun.“
Phasen, die sich aus der Schmetterlings-Metamorphose für den beruflichen Wandel ableiten lassen
Phase 1 – Zerstörung und Auflösung
Die berufliche Metamorphose beginnt häufig mit einer Identitätskrise, die sich durch anhaltende Unzufriedenheit am Arbeitsplatz, schlechte Laune, Unausgeglichenheit oder Stresssymptome äußert. Im zerstörerischen Fall kann die Krise sogar zu langwierigen Krankheiten (psychisch und physisch) oder Suchtverhalten führen.
Was kann man in dieser Phase tun? Das Wichtigste ist, die Symptome rechtzeitig wahr und ernst zu nehmen! Ich spreche hier nicht von kurzfristigen Stressmomenten oder ab und an mit der Situation am Arbeitsplatz unzufrieden zu sein, sondern von sich wiederholenden Mustern. Diese gilt es wahrzunehmen, zu sammeln – am besten schriftlich – und nicht mit gut oder schlecht zu bewerten. Wie die Raupe im Kokon gilt es die Krisenzeit einfach auszuhalten, damit daraus etwas Neues entstehen kann.
Phase 2 – Knospen und Parallelwelt
Das Neue zeigt sich meist in ersten Impulsen und kleinen Anzeichen, die man achtsam wahrnehmen sollte. An dieser Stelle bietet es sich an, auf die eigenen Bedürfnisse, Kompetenzen, Erfahrungen und Werte zu achten und sie schriftlich festzuhalten. Was brauche ich? Was tut mir gut? Was bekommt mir nicht? Was will ich loslassen? Was wünsche ich mir? Was bringe ich mit? Und wenn man ganz ehrlich zu sich ist, sträubt sich unser Verstand gegen die Erkenntnisse, die aus den Bedürfnissen und Wünschen erwachsen. Diese scheinen mit der beruflichen Situation nicht vereinbar zu sein. In dieser Parallelwelt entsteht eine innere Diskussion oder gar ein innerer Konflikt, wo sich das Alte gegen das aufkeimende Neue wehrt.
Phase 3 – Reifen und Erstarken
Die Impulse und Bedürfnisse vergrößern jedoch ihre Kreise und manchmal stoßen sie weitere Kreise an. Eine neue Identität reift heran, die in einem passenden Umfeld wirksam werden will. In dieser Phase empfiehlt es sich, positiv auf Impulse zu reagieren und sie nicht abzutun oder gar abzuwehren. Was sind die Gemeinsamkeiten? Welche Muster kann ich erkennen? Was ist besonders stark und weckt meine Begeisterung und Leidenschaft? Was reift in mir heran und will sichtbar werden? Welche Auswirkungen hat der Wandel für mein Umfeld? Es gilt erste Ideen zu entwickeln.
Phase 4 – Verwandlung und Geburt
In der letzten Phase wird die Verwandlung greifbar und eine neue Identität wird geboren. Wer bin ich jetzt? Welche berufliche Richtung will ich einschlagen? Wie integriere ich mein Umfeld? Das Neue wird für einen selbst und andere erkennbar. Jetzt können auch Ziele formuliert werden und man macht sich auf den Weg das Neue in die Welt zu tragen. Hier hilft es erst einmal mit Experten Interviews zu führen und zu testen, wo und in welcher Form man seine neue Identität am besten zum Fliegen bringen kann.
Entwicklungszeit
Die Metamorphose einer Raupe zum Schmetterling beträgt je nach Art zwischen einer Woche und sieben Jahren. Die Wandlung bei einer beruflichen Veränderung liegt je nach persönlicher Gegebenheit bei zwei bis fünf Jahren.
In jeder der Metamorphose-Phasen kann ein Coach hilfreich zur Seite stehen, indem er/sie passende Methoden anwendet, die dem Klienten das tiefe unbewusste Körperwissen bewusst macht. Dadurch werden Bedürfnisse und Hindernisse deutlich, es sprießen Impulse und der für den Klienten passende Beruf wächst aus ihm/ihr selbst heraus.